100 Jahre Bauhaus – 155 Jahre Hausbau mit Rauhfaser

Rauhfaser wäre am Bauhaus erfunden worden … hätte es sie nicht bereits gegeben.

Interview über das Bauhaus-Konzept, dessen Aktualität und Beziehungen zu Rauhfaser-Tapeten; mit Innenarchitekt Janosch Muschick.

 

07/26/2019

Während Bauhaus-Gründer Walter Gropius das kostensparende Bauen unter anderem mit Fertigbauteilen in den Fokus stellte, legte sein Nachfolger Hannes Meyer den Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Bewohner: „Volksbedarf statt Luxusbedarf!“ hieß seine Arbeitsparole. Er trieb die Verschmelzung von Kunst und Handwerk zur Schaffung von qualitativ hochwertigem, dabei aber günstig zu produzierendem Wohnraum voran, indem er die systematische Bedarfsermittlung, detaillierte Funktionsanalyse und schließlich zweckmäßige Konstruktion propagierte. Auch bei der Ausstattung des Wohnraums standen nach dem Bauhaus-Verständnis Effizienz und Nützlichkeit im Fokus.

Frage: Ästhetik und künstlerischer Ausdruck sollen laut Bauhaus ausschließlich von der Funktion des Produktes geprägt sein. Wie und in welchem Umfang trifft das heute noch für Objekte zu?

Antwort: Einige der im Bauhaus entwickelten Innovationen haben es in die industrielle Produktion geschafft – einerseits auf indirektem Wege wie z.B. Flachdächer, rahmenlose Fenster usw., andererseits auf direktem Wege wie z.B. Einrichtungs- und Haushaltsgegenstände. Viele von ihnen, beispielsweise der Stahlrohr-Freischwinger von Thonet, sind echte Klassiker und im hochpreisigen Segment angesiedelt. Auf sie treffen zwar Attribute wie „sachlich, schlicht, funktionell“ zu, aber sie sind bei Weitem nicht für jedermann erschwinglich. Ästhetisch wie ökonomisch in die Breite gegangen sind nur sehr wenige Bauhaus-Entwürfe, die bis heute erhältlich sind. Andererseits sind zu der Zeit des Bauhauses – aber eben nicht nur dort – im Wortsinne Grundsteine für heutiges Planen und Bauen gelegt worden. Mit der Industrialisierung und dem zeitgleich enormen Städtezuwachs änderten sich Bedarf, Anspruch und Realisierung von Stadtplanung, Infrastruktur, Bauen und Wohnen stärker als je zuvor. Unterschiedlichste und sich gegenseitig befruchtende Einflüsse von Gruppierungen oder Baumeistern wie DeStijl, Bauhaus, Adolf Loos, Le Corbusier oder Margarete Schütte-Lihotzky lösten sich von der bis dahin traditionellen Gestaltung und verschrieben sich einer puristischen, funktionalen Formen-, Material- und Farbsprache. Margarete Schütte-Lihotzky entwickelte z.B. die „Frankfurter Küche“, die als Ursprung aller seriell gefertigten Einbauküchen gilt. Unifarbene beziehungsweise weiße homogene große Wandflächen hielten Einzug in das private Wohnen – zunächst innerhalb einer kleineren geschmacksästhetischen Elite und im Nachzug mit Eigeninitiative in der breiten Bevölkerung – die aufkeimende kommerzielle Do-it-yourself-Bewegung. Es be- und entstehen noch heute viele Artefacte, deren Kernmerkmale auf den Prämissen der in Weimar gegründeten Hochschule für Gestaltung basieren. Eines, das den Gedanken des Bauhauses konsequent fortführt und damit zum Klassiker in der Wandgestaltung avancierte, ist die Rauhfaser-Tapete: Sie wurde als in erster Linie funktionales Material erkannt, das damals wie heute beispielsweise Unebenheiten im Untergrund kaschiert, als reversibler Farbträger leicht verarbeitet und individualisiert werden kann.

 

Frage: Das Bauhaus ist geprägt von zwei Prinzipien: Schön ist, was funktioniert und die Verbindung von Kunst und Handwerk. Inwieweit trifft das auf die Rauhfaser zu?

Antwort: Auch wenn die Rauhfaser kein „Bauhaus-Produkt“ im Schöpfungsursprung ist, erfüllt sie überspitzt gesagt als einziges Wohnprodukt die Grundsätze der vor 100 Jahren gegründeten Gestaltungsschule – vor allem im Hinblick auf die Massentauglichkeit. „Ein Ding ist bestimmt durch sein Wesen. Um es so zu gestalten, dass es richtig funktioniert – ein Gefäß, ein Stuhl, ein Haus –, muss sein Wesen zuerst erforscht werden; denn es soll seinem Zweck vollendet dienen, d. h. seine Funktion praktisch erfüllen, haltbar, billig und ‚schön‘ sein.“[1] Mit ihr lassen sich kostengünstig große Wandflächen homogenisieren, sie schützt und konserviert die darunterliegende Wand und ist langfristig nutzbar, da sie mehrfach überstreichbar ist. Durch ihre gelingsichere Verarbeitbarkeit ist sie sowohl für den privaten Bereich als auch für große Wohnraumprojekte oder Gewerbeimmobilien prädestiniert. Die mittels Farbe mögliche spielerische Individualisierung bedient das anthroposophische Moment[2] des Bauhauses und kann gleichzeitig die mit dem seriellen Bauen einhergehende Uniformität aufbrechen. Mit Rauhfaser kann jeder Bewohner zum kreativen Gestalter werden – frei nach dem Bauhaus-Statut „Verschmelzung von Kunst und Handwerk“. 

 

Frage: Die Bauhauslehre – zumindest unter Hannes Meyer - setzt auf zweckmäßige Bauten. Diese Art von Wohnungsbau sowie industriell hergestellte Gebrauchsgegenstände sollten möglichst vielen Menschen ein hochwertiges Zuhause ermöglichen. Wie aktuell ist diese Forderung in Zeiten explodierender Mieten und Wohnungsnot in vielen Großstädten?

Antwort: Auch hier gilt, dass das Bauhaus mit seinen Grundsätzen immer noch am Puls der Zeit ist. Die Nachfrage nach bezahlbarem und wertigem Wohnraum ist heute mindestens genauso akut wie damals. Multivalent nutzbare Wohnungen im großen Stil wirtschaftlich zu bauen ist möglich – dazu braucht es neben einer rationellen Bauweise bei der Innenausstattung Produkte, die kostengünstig in der Anschaffung, schnell in der Verarbeitung und von langer Lebensdauer sind. Im Bereich Wandgestaltung erfüllt die Rauhfaser diese Punkte zu 100 Prozent und bedient darüber hinaus zunehmend wichtiger werdende Aspekte der Wohngesundheit und Umweltverträglichkeit – sie enthält weder bedenkliche Weichmacher noch PVC, Glasfasern oder Lösungsmittel, ist ein Recycling-Produkt und allergikergeeignet. Sowohl für Bauherren, Nutzer als auch Bewohner sind Rauhfaser und Vlies-Rauhfaser Produkte zur effizienten, hochwertigen, flexiblen Wohnraumgestaltung – sie ermöglichen die Umsetzung ästhetischer Vorlieben von puristisch bis farbenfroh und tragen gleichzeitig den Gesundheits- und Umweltaspekten Rechnung. 

 


[1] Walter Gropius Grundsätze der Bauhausproduktion. In: Walter Gropius / László Moholy-Nagy (Hrsg.): Neue Arbeiten der Bauhauswerkstatt. Bauhausbücher 7. München 1925, S. 5-8 designwissen. net

Referenz: beruhmte-zitate.de/autoren/walter-gropius/

[2] In diesem Kontext das dem Menschen innewohnende künstlerische und individualisierende Schaffen

Rauhfaser ist ein funktionales und massentaugliches Produkt, mit dem große Wandflächen wirtschaftlich gestaltet werden können. (Foto: Erfurt)

Schnörkellos und auf das Wesentliche reduziert: Rauhfaser entspricht den Bauhaus-Grundsätzen. (Foto: Erfurt)

Rauhfaser ist die optimale Tapete, wenn nicht die Wand selbst im Mittelpunkt stehen soll. Sie bietet der Einrichtung die perfekte Bühne zur Entfaltung ihrer Wirkung. Dazu ist sie wohngesund, kostengünstig und von langer Lebensdauer (Foto: Erfurt)

Janosch Muschick, Innenarchitekt bei Erfurt & Sohn und Rauhfaser-Sympathisant. (Foto: Erfurt)